Freitag, 20. Dezember 2019
Usability in der virtuellen Realität - Teil 2
#Virtual Reality

Im zweiten Teil der Blogreihe „Usability in der virtuellen Realität“ geht es um die Gestaltungsrichtlinien. Leider sind Methoden und Best Practices für die Gestaltung von virtuellen Realitäten schwer zu finden und teilweise wird behauptet es gibt sie noch gar nicht. Dennoch können schon bestehende Gestaltungsrichtlinien adaptiert werden.
Durch visuelle Darstellung von Programmen und Informationen anhand von Text und Formen wird eine “Schnittstelle” erstellt. Die grafische User Schnittstellen (GUI) ermöglicht die Eingabe und Ausgabe, die sowohl der Computer als auch der Mensch versteht.
Dabei muss beachtet werden, für wen gestaltet wird - also die Usergruppe. Die Entwicklung von Navigationsschemata, Fensterarten (Full-Page, Popup, Modal), die Berücksichtigung des Eingabegerätes (3D-Maus, Maus, Tastatur, Sprache) spielen ebenso wie die Art und Anzeige von Feedback eine große Rolle. Visuelle Unterstützung wie Grafiken, Icons, Bilder und die Auswahl passender Farben, sowie das Setzen des Layouts tragen zu einer guten Gestaltung bei. Wichtig sind ebenfalls die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit durch User ohne vorherige Anpassungen und die allgemeine Ästhetik, wie z.B. einen sinnvollen Kontrast zwischen Elementen schaffen, Gruppieren und die effektive Verwendung von Farben und Grafiken. Dabei sind auch die Gestaltungsprinzipien zu nennen: Durch das Anordnen und die Ausrichtung von Elementen kann das Gleichgewicht beeinflusst werden. Kontrast, Nähe und Konsistenz gehören ebenfalls zu den Gestaltungsprinzipien und beeinflussen die Designsprache.
Visuell, konzeptionell und sprachlich soll die GUI für die Zielgruppe klar verständlich sein und mit den erforderlichen Selektoren und Manipulatoren (Kommandozeilen, Shortkeys über die Tastatur, Menü Selection, Formulare und direkte Manipulation) einfach bedient werden können.
Oculus, Erfinder der ersten Consumer VR-Brille der Neuzeit, bieten auf ihrer Webseite eine Übersicht zum momentanen Stand ihrer Best Practise Empfehlungen für die User Experience mit ihrer Brille. Diese konzentriert sich auf die grundlegende Interaktion zwischen Benutzern und der VR-Umgebung.
- Die Sitzungsdauer soll vom User selbst definiert werden können
- Pausen ermöglichen
- Das Zurückkehren an den Punkt bei dem die Pause begonnen wurde
- Automatisierte Speicherpunkte
- Erinnerung an Pausen
- Ruhepositionen ermöglichen
Je länger ein User sich in der virtuellen Realität aufhält, desto wohler fühlt er sich. Er gewöhnt sich an die Umgebung und lernt die diese zu akzeptieren.
Gelernte UX:
Entwickler testen ihr Spiele wiederholt und sind darum oft widerstandsfähiger gegen Unbehagen als Benutzer, die das Spiel noch nie getestet haben.
- Apps sollten mit einer Bandbreite von verschiedenen Usergruppen getestet werden, um Anfälligkeitsstufen für ein breites Publikum beurteilen zu können.
- User sollten nicht sofort in intensive Spielerfahrungen geworfen werden. Es sollte mit ruhigeren, langsameren Interaktionen begonnen werden.
- Apps, die intensive virtuelle Erlebnisse enthalten, sollten darum Nutzer vor dem Inhalt des Spiels warnen.
- Auch kurze Ladezeiten sind wichtig, denn niemand schwebt gerne in der der Leere eines schwarzen Laderaums.
Für die virtuelle Realität müssen außerdem neue Merkmale und Erlebnisse betrachtet werden, die nur für die Gestaltung in der VR relevant sind, wie zum Beispiel die Rolle des Bodens, der Atmosphäre und des Terrains. Da die Beziehung zwischen Boden und Horizont in der VR genauso wichtig ist, wie in unserer physischen Realität, spielt auch die Perspektive der atmosphärischen Luft eine Rolle. Das Konzept dieses Phänomens beschreibt das allmähliche Ausbleichen der Landschaft und ist ein klarer Hinweis auf Tiefe und Entfernung. Dies kann man gut in der realen Welt beobachten - Objekte am Horizont sind blauer und unscharf. Diese Merkmale begünstigen die Immersion des Users und vor allem schützen sie ihn. Denn werden grundlegende Best Practices in der virtuellen Realität ignoriert, kann dies zu Motion Sickness - deutsch: Kinetose führen. Darunter versteht man durch eine Störung des Gleichgewichtssinns hervorgerufene Reaktion des Körpers auf ungewohnte Bewegungsmuster (z. B. See- und Luftkrankheit).
Dieses Unbehagen kann eine Kombination von verschiedenen Symptomen sein, bei denen es um Augenbelastung, Desorientierung und Übelkeit geht. Daher ist es wichtig, dass bei der Entwicklung von VR-Anwendungen Best Practices oder alternativen Lösungen eingehalten werden.
In der virtuellen Welt spielen auch die virtuelle Umgebung und die Interaktion mit dieser eine Rolle:
- Umgebung, Gebäude
- User geht herum und schaut sich um
- 360° Inhalt wird erwartet
- Der User möchte Objekte zerbrechen, wegwerfen, aufheben
- Benutzer können hinter Objekte gehen, also auch die Rückseite sehen
- Human Comfort
- Motion Sickness
- Spielergröße, Geschlecht
- Technisches Design
- Sense of Self (Selbstwahrnehmung)
Auch die Art wie eine Szene in VR gewechselt wird ist wichtig, um den User nicht zu sehr zu überraschen. Eine sanfte Einführung bei einem Szenenwechsel kann erreicht werden, indem zuerst die Umgebungsgeräusche des Ortes und dann das Bild eingeblendet werden.
Was funktioniert in VR nicht? Text. Aufgrund von Bildwiederholfrequenzen und Linseneffekten fällt es dem Auge schwer, sich bequem entlang von Textzeilen zu bewegen. Taktiles Feedback. Glücklicherweise können Soundeffekte und visuelle Animationen dazu beitragen, das Tastgefühl zu ersetzen. Die echte Welt. Durch die Brille sieht man die echte Welt schlichtweg nicht mehr. Darum zeigt die Vive auch ein blaues Gitter sobald man sich der abgesteckten Grenze nähert.
Diese Blogreihe veröffentlicht Ausschnitte und Zusammenfassungen der Bachelorarbeit von Jacqueline Buchmaier: „Cardboard Engineering - Optimale Gebrauchstauglichkeit für die Manipulation von Objekten in Virtual Reality und Desktop-Anwendungen“. Die Arbeit entstand im Studiengang Mediendesign und digitale Gestaltung an der Hochschule Ravensburg-Weingarten University of Applied Sciences in Kooperation mit UReality und wurde am 28.02.2019 eingereicht. Für die bessere Lesbarkeit wurden die Quellenangaben aus dem Text entfernt. Die vollständige Arbeit ist einsehbar an der RWU.