Mittwoch, 15. April 2020
Usability in der virtuellen Realität - Teil 5
#Virtual Reality

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Im fünften Teil der Blogreihe „Usability in der virtuellen Realität“ geht es um die Immersion.
Full Immersive Interaction Guidelines
Mel Slater beschreibt zwei Faktoren, die für die Definition von Immersion eine Rolle spielen: Place Illusion (PI) und Plausibilitäts-Illusion (Psi).
PI wird als “da sein”, oder als “Präsenz” bezeichnet, also das Gefühl an einem realen Ort zu sein.
Psi beschreibt die Illusion, dass das dargestellte Szenario tatsächlich so passiert.
Diese beiden Faktoren sind also dafür verantwortlich, dass auf Szenarien in der VR so reagiert wird als ob sie echt wären (‘response-as-if-real’) - der User erfährt also eine “Immersion” oder ein vollständiges eintauchen in die virtuelle Welt. Je mehr dem User ein Gefühl der Präsenz vermitteln wird, desto intensiver die Immersion.
Dabei kann man immer wieder beobachten, wie User nach dem Aufsetzen der VR-Brille als erstes ihre Hände betrachten. Oftmals winken sie, drehen die Handflächen und ziehen den Trigger am Vive-Controller um eine Faust zu ballen. Bei einer vollständigen Immersion und besonders dann, wenn Menschen sich intensiv einer Aufgabe in einem VE widmen, kommt es auch vor, dass sie versuchen sich an virtuelle Objekte zu lehnen, Treppen zu steigen oder sich abstützen möchten.
1999 entwickelte Bowman Virtual Environment Interaction Guidelines. Die hier genannten Auszüge sind auch bei der Gestaltung von VR-Anwendungen relevant.
- Realität bringt nicht immer die beste Leistung
- Für eine Aufgabe sollten mehrere Interaktionstechniken bereitgestellt werden
- Ray Casting-Techniken verwenden, wenn es schnell gehen soll
- Anzahl der zu manipulierenden Achsen reduzieren
- Allgemeine oder anwendungsspezifische Einschränkungen oder Manipulationshilfen bereitstellen
- Direkte Manipulation mit der virtuellen Hand ohne Werkzeug bevorzugen
Experience Principles
Ähnlich wie beim Entwurf von 2D-Schnittstellen sollten Designer Größe, Kontrast und Farbe verwenden, um Hierarchien zu bezeichnen. In VR basiert die Größe auf der Entfernung zwischen dem Nutzer und einem Inhalt. Daher ist es wichtig, den Umfang des Inhalts und den angemessenen Betrachtungsabstand zu verstehen.
Die Gestaltung einer für die Menschen angenehmen Erfahrung ist die wichtigste Überlegung.
Ist der Raum zu groß, gehen User möglicherweise verloren. Ist er zu klein, können Benutzer klaustrophobisch werden.
Nicht räumliche Methoden wie Audio und Licht können ebenfalls nützlich sein.
Repräsentationsformen des Teilnehmers innerhalb der VE:
Diese beeinflussen, wie der Benutzer versteht, wo er sich befindet, was er tut und welche Interaktionsmöglichkeiten im VE bestehen.
- Keine
- Gliedmaßen
- Lebensecht
Modellierung von Avataren und Mannequins:
Wie verhält sich der Benutzer zu ihnen und wie wirken sie sich auf die Präsenz aus.
- Größen
- Formen
- Aussehen
- Bewegungen
- Gesichtsausdrücke
Unterstützung der Navigation und Orientierung in VEs:
- Schnittstellen-Tools und andere Hilfsmittel
- Verknüpfungen
- Einarbeitungsroutinen
- optimale Weltgrößen
Präsenz und Beteiligung in Virtuellen Welten (VE)verstehen und verbessern:
Steigerung des Interesses
- Abwägen von Bildrealismus
- Größe und Komplexität des VE
- Bildwiederholfrequenz / Frames per second (FPS)
- Verwendung von Licht und Schatten
Anforderungen an Hinweise und Feedback, um den Teilnehmer zu unterstützen, minimierung von Neben- und Nachwirkungen:
Leistungsabfall und physiologische Veränderung
- Krankheit
Best Practices für VR-Design
Motion Sickness vermeiden.
Virtuelle Schutzbrillen. Objekte sollten sich immer in einem angenehmen Abstand befinden, damit sich die Augen des Users anpassen können und sie nicht das Gefühl haben, erstochen zu werden.
Interaktive Objekte bieten sich eher an, als ein Bildschirm mit einer Schaltfläche.
Durch Schatten und dem Verwischen des Hintergrunds kann man das Gefühl für den 3D-Raum verstärken.
Ton verwenden. Da VR-Designer keine Kontrolle über die Kamera haben, können User über Töne geleitet werden (z.B.: der Klick auf einen Button).
Menschliche Skala verwenden. Der User merkt es sofort, wenn Objekte zu groß oder zu klein sind.
Da die reale Umgebung über intuitive Navigation und Interaktionen verfügt, liegt es nahe, dass dies auch für die virtuelle Umgebung gilt. Doch häufig ist das nicht der Fall und dies führt dazu, dass die VR nicht zu bedienen oder sehr schwer zu bedienen ist. Darum sind allgemeine Richtlinien für die menschliche Leistung innerhalb von VEs und spezifische Richtlinien zur Verbesserung der VE-Benutzerfreundlichkeit nötig.
Und was nun?
Diese Blogreihe behandelt nur einen kleinen Ausschnitt der Gebrauchstauglichkeit in der VR und soll einen Überblick geben, auf was man bei der Gestaltung von VR-Software achten sollte. Ein „Rezept“ für gute Gestaltung, Usability und Experience gibt es in diesem Fall nicht, oft sind verschiedene Faktoren zu beachten. Ein Flat Menü kann für den einen Use Case wunderbar funktionieren, für den anderen Use Case sollte man vielleicht eher mit 3D Navigation arbeiten. Darum kann man eins bei der Gestaltung von Virtual Reality-Anwendungen sicher sagen: Für eine gute Usability hilft nur testen, ausprobieren und sich auf neue Dinge einlassen.
Diese Blogreihe veröffentlicht Ausschnitte und Zusammenfassungen der Bachelorarbeit von Jacqueline Buchmaier: „Cardboard Engineering - Optimale Gebrauchstauglichkeit für die Manipulation von Objekten in Virtual Reality und Desktop-Anwendungen“. Die Arbeit entstand im Studiengang Mediendesign und digitale Gestaltung an der Hochschule Ravensburg-Weingarten University of Applied Sciences in Kooperation mit UReality und wurde am 28.02.2019 eingereicht. Für die bessere Lesbarkeit wurden die Quellenangaben aus dem Text entfernt. Die vollständige Arbeit ist einsehbar an der RWU.